Foto: @Gisela Simak. Coverrechte: Verlag |
Meine Meinung:
Heilende Reise in die Vergangenheit
Beim Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989, lernt Anne ihren Peter kennen, der gerade die ehemalige DDR verlässt. Die Stimmung ist bombastisch. Wessis und Ossis fallen sich um den Hals. Anne teilt sich mit Peter eine Flasche Sekt. Der Beginn einer großen Liebe.
Dieser Roman lebt von einer Reise, die FÜR Westdeutsche sehr interessant sein dürfte. Als Annes geliebter Peter verstorben ist, findet sie ein paar vergilbte Fotos und Dokumente. Wird sich so richtig bewusst, wie wenig sie aus der Vergangenheit ihres Mannes wusste. Sie macht sich Vorwürfe, dass sie Peter nicht mehr und öfter danach gefragt hatte. Um ihre große Trauer zu bewältigen, tritt sie in ihrem alten Wohnmobil eine Reise auf die Insel Rügen an. Ihre Tochter Alina findet die Idee gut, macht sich aber große Sorgen um ihre Mutter. Ist sie doch stets mit ihrem Vater im Wohnmobil unterwegs gewesen.
Anne fühlt sich auf der Insel Rügen so richtig wohl. Möchte wissen, warum ihr Peter sagte: *Nie wieder Insel Rügen!* Das wollte ich selbst auch wissen, da Binz mein bevorzugter Urlaubsort ist. Ich hatte sämtliche Orte vor Augen. Anne hat das einzig Richtige gemacht. Sie hat sich ihrer Trauer gestellt. Mit ihrem Wohnmobil ist sie ihrem Peter mit jedem Kilometer ein Stückchen näher gekommen. Wunderbare Begegnungen haben ihren Weg gepflastert. Nicht alle waren auf Anhieb sympathisch. Doch gerade die harten Nüsse haben sich als besonders wertvoll erwiesen. Ich weiß. Die Personen sind fiktiver Natur. Ansonsten würde ich es mir nicht nehmen lassen, bei meinem nächsten Besuch auf Rügen sämtliche Campingplätze zu besuchen.
Dieses Buch ist ein Stück Geschichte, deren Beginn ich selbst über das Fernsehen mit verfolgt habe. Ich spüre heute noch die Gänsehaut, wenn ich daran denke, wie die Menschen sich in die Arme gefallen sind. Wäre wirklich sehr gerne dabei gewesen. Christiane Wünsche hat sehr gut recherchiert. So habe ich zum ersten mal von den Bausoldaten in Prora gelesen. Anne hat eine Antwort auf *Nie wieder Rügen* bekommen. Anhand ihrer alten Fotos sehr viel über Peters traurige Vergangenheit erfahren. War im Nachhinein verzweifelt ob der Verschwiegenheit ihres Mannes. Ich habe mich wirklich auch selbst gefragt, warum Peter so verschwiegen war. Konnte aber am Ende sein Schweigen sehr gut nachvollziehen. Fand es jedoch sehr schade. Anne hätte es eventuell geschafft, diesem Drama einen besseren Verlauf zu verpassen. Aber wie heißt es immer:
„Gehe hundert Schritte in den Schuhen eines anderen,
wenn du ihn verstehen willst.“ (Indianische Weisheit)
Anne ist viele Kilometer gefahren, um ihren Peter zu verstehen.
Fazit:
Was hat dieses Buch mit mir gemacht? Mir vor Augen geführt, wie gering mein Interesse für die Menschen der ehemaligen DDR war. Viel zu wenig habe ich hinterfragt. Ich weiß, dieser Peter ist fiktiver Natur. Es gibt jedoch bestimmt viele Menschen, die so ein Schicksal zu verkraften haben. Denen man allein mit Empathie ein Stück ihres Leides nehmen könnte. Anne hat großen Mut bewiesen und sich ihrer Trauer gestellt. Gestärkt und mit viel mehr Selbstbewusstsein hat sie die Heimreise angetreten. Der Schreibstil ist angenehm flüssig. Aus der Sicht von sämtlichen Personen. Abwechselnd aus der Gegenwart und Vergangenheit. So konnte ich zumindest versuchen, auch die etwas übleren Charaktere zu verstehen. Mir vor Augen halten, dass deren Verhalten dem System der ehemaligen DDR geschuldet war.
Ich möchte meine Besprechung mit einem berühmten Zitat beenden:
Ich weiß, dass ich nichts weiß.
Liebe Christiane Wünsche, nun weiß ich wieder etwas mehr. Danke für diese tolle Geschichte. Ich werde meinen nächsten Besuch auf der Insel Rügen mit anderen Augen sehen.
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