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Dienstag, 30. September 2025

Medulla von Verena Güntner


Foto @Gisela Simak 


Unbezahlte Werbung. Coverrechte: Dumont Verlag. 


Verlagsinfo: 
Ein Berliner Sommer, drei Paare und die Frage, wie wir leben wollen
Ein Tag am See, eine Frau geht ins Wasser. Ausbrechen, abbrechen, abtauchen. Ist es Siv, Leyla oder Esther? Die drei sind keine Freundinnen — und doch haben sie eins gemeinsam.
Siv ist Anfang vierzig und mit sich im Reinen: Sie will keine Kinder. Auch dann nicht, als sie überraschend schwanger wird. Jan, mit dem sie in einer offenen Beziehung lebt, erträgt nicht, dass allein Siv darüber entscheidet, wie es weitergehen soll. Leyla und David haben alles darangesetzt, Eltern zu werden. Bis Leyla schwanger wird und unbedingt ihren Körper zurückwill. In Siv findet sie eine unerwartete Verbündete. Auch Esther, Leylas Arbeitskollegin, bekommt ein Kind. Statt ihres Partners Jacob, der sich akribisch auf seine Vaterrolle vorbereitet, nimmt sie Lem zu den Untersuchungen bei der Gynäkologin mit, obwohl sie ihn nur flüchtig kennt. Drei Frauen, die sich den Versuchen der Männer, ihre Körper zu kontrollieren, kompromisslos widersetzen werden. Und die sich dabei näherkommen, als sie es wollten.

Mit literarischer Präzision und abgründigem Humor erzählt Verena Güntner von gesellschaftlichen Beziehungsnormen und dem Versuch, sie zu überwinden. Immer wieder verrutscht dabei die Realität und gibt den Blick frei auf das Absonderliche und Urkomische unserer Existenz.

 

Zum Inhalt 

Berlin 
Es geht um drei Frauen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten und die sehr speziell wirken. Deren Lebenspartner stehen Ihnen in nichts nach. 

Siv ist eine knapp 40-jährige, schwangere Frau, die ihr Kind nicht behalten möchte. Mit Jan führt sie eine offene Beziehung und verweigert ihm das Mitspracherecht. Sie verdient kaum Geld und lebt von Jans Verdienst, aus dem eigenen Restaurant, wie die Made im Speck. Sie kennt keinerlei Tabus, wenn es um ihre Liebes - Affären geht. In zwischenmenschlichen Beziehungen lässt sie oftmals die nötige Empathie vermissen. Jan verhält sich lange Zeit passiv und scheint sich in einer Midlife-Crisis zu befinden. 

Leyla und David träumen schon seit Jahren davon, Eltern zu werden. Als Leyla endlich schwanger wird, will sie ihren Körper von dem Kind befreien. Sie ist von ihrem Mann genervt, der sich, in ihren Augen, nie richtig von seinem Elternhaus gelöst hat. Obwohl ihr Siv unsympathisch ist, wird gerade sie ihre Retterin in der Not. 

Esther ist mit Jacob verheiratet und hochschwanger. Eigentlich möchte auch sie kein Kind mehr. Ihr überfürsorglicher Mann lässt ihr kaum Luft zum Atem und wäre mit Sicherheit die bessere Mutter. Zu ihren Kontrolluntersuchungen nimmt sie den wesentlich jüngeren Lem mit. 

Meine Meinung 


Außergewöhnliche Geschichte um drei Frauen 


Im Fokus stehen die Schwangerschaften der drei Frauen und die lieblosen Beziehungen zu ihren Partnern. Diese Themen waren für mich eine sehr große Herausforderung, da die Einstellung der Frauen für mich nicht nachvollziehbar war und ich mich in keinster Weise mit ihnen identifizieren konnte. Das ist auch gut so, da ich in Büchern andere Menschen kennenlernen möchte. Dazu hatte ich bei Medulla jede Menge Gelegenheit. Ich weiß jetzt, wie sie ticken; aber nicht warum.
Das ist es, was diese Geschichte über Beziehungsdramen, von anderen so unterscheidet und einzigartig macht. Es gibt kaum Rückblenden in die Vergangenheiten der Figuren. Man wird zum Nachdenken angeregt, ohne am Ende eine Antwort zu bekommen, die einem erklärt, warum die Personen so sind, wie sie sind. 

Der magische Schreibstil hat mich förmlich an die Seiten gefesselt. Die Figuren sind so gut gezeichnet, dass ich nun behaupten möchte, sie persönlich zu kennen. Richtig sympathisch war mir keine*r - interessant fand ich jede*n. Stellenweise gibt es sehr ekelige Szenen, die aber 
in das Geschehen passen. 

Trauer hat viele Gesichter; manche sind sehr verstörend, wie David bei seiner Mutter feststellen musste. Dazu möchte ich nicht mehr verraten, da diese Szene ein sehr emotionaler Bestandteil der Geschichte ist, der es wert ist, entdeckt zu werden. 

Fazit 

Eine Frau schwimmt und taucht voll bekleidet im See. Welche von den drei Frauen ist es? Das ist eine von den wenigen Antworten, die ich am Ende bekommen habe. 

Darf eine Frau allein über ihr ungeborenes Kind bestimmen? Ist eine offene Beziehung wünschenswert? Warum bleibt man viel zu lange in einer unglücklichen Beziehung? Auf all diese Fragen gibt es nicht die eine Antwort, da die Situationen genauso einzigartig sind, wie jeder einzelner Mensch. 

Eine klare Empfehlung. Herzlichen Dank, Verena Güntner. Ich habe jedes einzelne Wort genossen. 



VERENA GÜNTNER, 1978 in Ulm geboren, spielte nach ihrem Schauspielstudium viele Jahre am Theater. Ihr Debüt ›Es bringen‹ erschien 2014. Ihr zweiter Roman ›Power‹ wurde 2020 für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert und 2021 mit dem Schubart-Literaturförderpreis bedacht. Als Teil des feministischen Literaturkollektivs LIQUID CENTER gab Verena Güntner gemeinsam mit Elisabeth R. Hager und Julia Wolf 2024 den Kollektivroman ›Wir kommen‹ heraus. Sie lebt mit ihrer Familie in Berlin. 

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