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Foto: @Gisela Simak. Hintergrund Pixabay
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Verlag.
Um was geht's?Nach
ihrem gefeierten Debüt ›22 Bahnen‹ der neue Roman von Caroline
Wahl
Ida hat nichts bei
sich außer dem alten, verschrammten Hartschalenkoffer ihrer Mutter,
ein paar Lieblingsklamotten und ihrem MacBook, als sie ihr Zuhause
verlässt. Es ist wahrscheinlich ein Abschied für immer von der
Kleinstadt, in der sie ihr ganzes bisheriges Leben verbracht hat. Im
Abschiednehmen ist Ida richtig schlecht; sie hat es vor zwei Monaten
nicht einmal auf die Beerdigung ihrer Mutter geschafft. Am Bahnhof
sucht sie sich den Zug aus, der am weitesten wegfährt – auf keinen
Fall will sie zu ihrer Schwester Tilda nach Hamburg –, und landet
auf Rügen. Ohne Plan, nur mit einem großen Klumpen aus Wut, Trauer
und Schuld im Bauch, streift sie über die Ostseeinsel. Und trifft
schließlich auf Knut, den örtlichen Kneipenbesitzer, und seine Frau
Marianne, die Ida kurzerhand bei sich aufnehmen. Zu dritt frühstücken
sie jeden Morgen Aufbackbrötchen, den Tag verbringt Ida dann mit
Marianne, sie walken gemeinsam durch den Wald oder spielen Skip-Bo,
abends arbeitet Ida mit Knut in der »Robbe«. Und sie lernt Leif
kennen, der ähnlich versehrt ist wie sie. Auf einmal ist alles ein
bisschen leichter, erträglicher in Idas Leben. Bis ihre Welt kurz
darauf wieder aus den Angeln gehoben wird.
Nach ihrem
gefeierten Debüt ›22 Bahnen‹ erzählt Caroline Wahl in ihrem
unverwechselbaren Sound nun, wie Ida es mit dem Leben aufnimmt. Ein
aufwühlender, intensiver und dabei ungemein tröstlicher Roman über
Töchter, Schwestern und Mütter, über vermeintliche Schuld und das
Verzeihen – sich selbst und den anderen.
Meine
Meinung:
Manchmal muss man Umwege fahren, um seine Trauer auszuleben
22 Bahnen konnte
mich schon überzeugen. Windstärke 17 jedoch ging mir durch Mark und
Bein. Der seelische Schmerz von Ida ist zwischen den Zeilen spürbar.
Die Mutter ist gestorben und ihre Schwester Tilda lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Hamburg. Ida lebt in dem Glauben, sie
hätte den Suizid ihrer Mutter verhindern können. Sie hatte es
einfach nicht geschafft, auf die Beerdigung ihrer Mutter zu gehen.
Eigentlich schreibt sie sehr gerne, aber seit dem Tod ihrer Mutter
fehlen ihr die Worte
Schon bei *22
Bahnen* hatte ich oftmals das Bedürfnis, Ida in den Arm zu nehmen
und zu trösten. Nach dem Tod ihrer Mutter nun ganz besonders.
Nachdem Ida die Wohnung ihrer Mutter gekündigt hat, packt sie ihren
MacBook und die Lieblings Klamotten ihrer Mutter in deren
verschrammten Hartschalenkoffer. Ida kann sich nicht erinnern, dass
ihre Mutter jemals eine größere Reise unternommen hatte. Der
Zustand des Koffers spricht jedoch eine andere Sprache.
Eigentlich will sie
zu ihrer Schwester nach Hamburg fahren. Letztendlich landet sie auf
der Insel Rügen. Ich finde, eine bessere Entscheidung hätte sie
nicht treffen können.
Dort angekommen
findet sie Arbeit in der Kneipe *Robbe*. Der Kneipenbesitzer Knut
spürt die Not der jungen ausgebrannten Frau. Nimmt sie mit zu seiner
Frau Marianne. Die heißt sie mit offenen Armen willkommen. Dann
lernt sie auch noch den charismatischen DJ Leif kennen.
Der magische
Schreibstil der Autorin konnte mich von Anfang an wieder abholen. Die
Geschichte strahlt so viel Herzenswärme aus, obwohl viele
dramatische Dinge passiert sind und auch noch passieren sollen.
Zwei Schwestern die
sich wirklich lieben, und den Zugang zueinander wieder neu entdecken
müssen. Ein älteres Ehepaar, das eine blutjunge Frau aufnimmt, ohne
Fragen zu stellen. Die Empathie der beiden wärmt einem das Herz. Ida
fühlt eine Geborgenheit, die ihr ihre Mutter niemals geben konnte.
Das Setting ist
wunderbar gewählt. Ich liebe die Insel Rügen und war bereits fünf
mal in Binz. Sämtliche Orte hatte ich bildlich vor Augen. Die Ostsee
ist einfach ein Ort, an dem man die Seele baumeln lassen kann. Ida
liebt die verregneten Tage auf der Insel und die stürmische See.
Stürzt sich gerne in die eiskalten Fluten.
Nachts zieht es sie
in den Wald. Dort schreit sie ihre Kummer heraus. Den Waldwipfelweg
bin ich gedanklich mitgelaufen. Ich habe sehr oft gefroren beim
Lesen. Tilda war ständig bei strömenden Regen und Sturm unterwegs.
Jeden Morgen hat sie mit Marianne und Knut Aufbackbrötchen gegessen
und heißen Tee getrunken.
Freud und Leid
liegen sehr nah beieinander. Ida hat ihre Schreibblockade überwunden.
Ob wir ihr Buch irgendwann mal zu lesen bekommen werden? Ich habe die
Gesellschaft von, Ida, Marianne, Knut und Leif sehr genossen.
Danke Caroline Wahl.
Ich würde mich über eine Fortsetzung freuen.
CAROLINE WAHL wurde
1995 in Mainz geboren und wuchs in der Nähe von Heidelberg auf. Sie
hat Germanistik in Tübingen und Deutsche Literatur in Berlin
studiert. Danach arbeitete sie in mehreren Verlagen. 2023 erschien
ihr Debütroman ›22 Bahnen‹ bei DuMont, für den sie mit dem
Ulla-Hahn-Autorenpreis, dem Grimmelshausen-Förderpreis und dem
Buchpreis Familienroman der Stiftung Ravensburger Verlag
ausgezeichnet wurde. Außerdem wurde ›22 Bahnen‹ Lieblingsbuch
der Unabhängigen 2023. Caroline Wahl lebt in Rostock.