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Sonntag, 29. Juni 2025

Der Markisenmann von Jan Weiler


Unbezahlte Werbung. Coverrechte: Heyne Verlag. 


Was wissen wir schon über unsere Eltern? Meistens viel weniger, als wir denken. Und manchmal gar nichts. Die fünfzehnjährige Kim hat ihren Vater noch nie gesehen, als sie von ihrer Mutter über die Sommerferien zu ihm abgeschoben wird. Der fremde Mann erweist sich auf Anhieb nicht nur als ziemlich seltsam, sondern auch als der erfolgloseste Vertreter der Welt. Aber als sie ihm hilft, seine fürchterlichen Markisen im knallharten Haustürgeschäft zu verkaufen, verändert sich das Leben von Vater und Tochter für immer.

Ein Buch über das Erwachsenwerden und das Altern, über die Geheimnisse in unseren Familien, über Schuld und Verantwortung und das orange-gelbe Flimmern an Sommerabenden.

Meine Meinung 


Eine besondere Verbindung zwischen Vater und Tochter 

Cover und Titel wirkten auf mich extrem mutig. "Der Markisenmann" und dann das Cover im 70er Vibes, laden nicht unbedingt zum Lesen ein. Der Inhalt hält jedoch eine Geschichte bereit, die zauberhafte Lesestunden garantiert. 
Aus der Sicht der erwachsenen Kim werden wir durch das Geschehen geführt und erfahren, was die15-jährige Kim erlebt hat.

Köln 2005

Kim Papen lebt mit ihrer Mutter Susanne, dem Stiefvater Heiko und ihrem Halbbruder Geoffry Mikulla in Köln. Geld ist genügend da, aber Kim fehlt das Zugehörigkeitsgefühl. Dazu trägt viel dazu bei, dass sie einen anderen Familiennamen trägt, als die drei Mikullas.  Von ihrem leiblichen Vater weiß sie so gut wie nichts. Ein einziges Foto hat sie von ihm gesehen, auf dem er unklar zu erkennen war und das ihre Mutter, aufgrund ihrer vielen Fragen, verschwinden ließ. Sie nennt ihn gedanklich "Der Unscharfe!" In ihren Träumen ist er ein erfolgreicher Geschäftsmann, der keine Zeit für sie hat. 

Nachdem Kim etwas sehr Schlimmes getan hat, darf sie nicht mit in den Urlaub nach Florida. Ihre Eltern haben beschlossen, dass sie den Urlaub bei ihrem Vater in Duisburg verbringen muss. Ich fand das sehr merkwürdig, da Kim ihren Vater eigentlich noch nie gesehen hat. Die Ehe zerbrach, als sie zwei Jahre alt war.

Ruhrpott 2005

Als Kim von ihrem Vater Ronald Papen am Bahnhof abgeholt wird, ist sie erstmal schwer enttäuscht, von dem schmächtigen, schlecht angezogen Mann, der so gar nichts von einem erfolgreichen Geschäftsmann hat. Mit seinem uralten Auto fährt er sie zu der Lagerhalle, die er bewohnt. Darin stapeln sich Unmengen, grässliche Markisen, die Ronald alle noch verkaufen möchte. Die zwei Modelle heißen "Mumbai" und "Kopenhagen!" Das soll Kims Urlaubsort für sechs Wochen Ferien werden. In unmittelbarer Umgebung befinden sich noch eine Autowerkstatt und ein Schrottplatz. Komplimentiert wird das ungewöhnliche Idyll von einem Pilspub, dessen ältere, schrulligen Gäste einem sofort ans Herz wachsen. 

Kim macht in den sechs Wochen einen richtigen Reifeprozess durch. Das materiell verwöhnte Mädchen findet mit jedem Tag mehr Gefallen an dem einfachen Leben, in dem nur gekauft wird, was man zum Leben braucht. Der Vater erstellt eine Einkaufsliste, bei der sogar die Wege im Supermarkt notiert sind. Immer mehr fühlt sie sich zwischen Lagerhalle und Schrottplatz wohl. Den Strand am Rhein-Herne-Kanal genießt sie mit ihrem neu gewonnenen Freund Alik.

Ronald steckt auf einer Karte alle Gegenden ab, die Häuser mit Balkonen enthalten. Dort fährt er hin und klingelt bei den Wohnungen, die mit keiner Markise bestückt sind. Daheim führt er Buch darüber, wo er erfolgreich verkauft hat, oder auch nicht. 

Anfangs möchte Kim ihren Vater auf seinen Geschäftswegen nicht begleiten, die alle nicht mehr als ein halbes Stündchen entfernt sind. Lieber verbringt sie ihre Zeit mit dem Jungen Alik. Als sie jedoch bemerkt, wie erfolglos ihr Papa als Vertreter ist, begleitet sie ihn doch und entwickelt neue Verkaufsstrategien, die mich zum Lachen gebracht haben, da sie zum Schreien komisch sind. 

Ich habe schon lange nicht mehr bei einem Buch so gelacht.  Die Thematik ist sehr humorvoll; aber auch unendlich traurig. Ronald ist ein wirklich feiner Charakter, der absolut ehrlich wirkt und dem Sarkasmus fremd scheint. Kim liebt ihren Vater mit jedem Tag mehr und möchte von ihm Antworten, auf die vielen Fragen, die sie hat. Warum haben sich seine Mutter und er getrennt? Vor allem, warum hat er nie Kontakt zu ihr gehalten? Ronald weicht den Fragen stets aus und erzählt ihr, dass er große Schuld auf sich geladen hat, ohne näher darauf einzugehen. Mit dem Verkauf der grässlich Markisen möchte er Buße leisten. Erst wenn die letzte Markise verkauft ist, kann er sich frei fühlen. 

Fazit 


Ronald Papen und Kim haben nun einen festen Platz in meinem Herzen. Vater und Tochter lernen sich nach vielen Jahren kennen und bemerken ihre Gemeinsamkeiten und wie viel sie einander bedeuten. Das mitzuerleben war unglaublich schön. 

Alle Figuren sind liebenswert ausgearbeitet und am Ende fiel mir der Abschied wirklich schwer.

Ein Stück Geschichte aus der ehemaligen DDR hat dazu geführt, dass ich sämtliche Handlungsweisen von Ronald besser verstehen konnte. Auch Susanne und Heiko hat sie mir näher gebracht. 


Der fesselnde Schreibstil und die Neugier auf Antworten haben mir das Weglegen des Buches unmöglich gemacht. Und ja, ich habe jede Menge Antworten bekommen. Sie haben mich unendlich traurig zurückgelassen. 
Das Ende betrachte ich mit gemischten Gefühlen. 

Mein Balkon ist nur mit zwei Sonnenschirmen bestückt. Hiermit bestelle ich das Modell Kopenhagen. Übrigens, das Cover und Titel gefallen mir jetzt doch sehr gut.

Von mir eine klare Empfehlung, für diese zu Herzen gehende Geschichte. 

Herzlichen Dank, Jan Weiler. 


Jan Weiler, 1967 in Düsseldorf geboren, ist Journalist und Schriftsteller. Er war viele Jahre Chefredakteur des SZ Magazins. Sein erstes Buch »Maria, ihm schmeckt's nicht!« gilt als eines der erfolgreichsten Debüts der letzten Jahrzehnte. Es folgten unter anderem »Antonio im Wunderland«, »Mein Leben als Mensch«, »Das Pubertier«, »Älternzeit« und die Kriminalromane um den überforderten Kommissar Martin Kühn. Auch seine Romane »Der Markisenmann« und »Munk« standen monatelang auf der Bestsellerliste. Neben seinen Romanen verfasst Jan Weiler zudem Kolumnen, Drehbücher, Hörspiele und Hörbücher, die er auch selbst spricht. Er lebt in München und Umbrien.

Jede Woche veröffentlicht er eine neue Geschichte unter www.janweiler.de/

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