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Dienstag, 27. Dezember 2022

Das Verschwinden der Linnea Arvidsson von Frida Skybäck


 

Klappentext:

Dani geriet als Jugendlicher in falsche Kreise, verbrachte sogar einige Zeit im Malmöer Gefängnis. Seine Schwester Lydia ist die einzige Familie, die er noch hat, und er hat ihr versprochen, nie wieder ein Verbrechen zu begehen. Als Dani verdächtigt wird, eine junge Frau entführt zu haben, bricht eine Welt für Lydia zusammen. Doch irgendetwas stimmt nicht mit den Anschuldigungen gegen Dani, und Lydia beginnt mit eigenen Nachforschungen. Die vermisste Frau, Linnea, lebt in einer gehobenen Gegend und studiert an der Universität Malmö. Die ist nur einen Steinwurf von dem Café entfernt, in dem Dani arbeitet. Aber warum sollte er eine Frau entführen, die er gar nicht kennt? Und ist Linnea wirklich diejenige, für die die Polizei und die Medien sie halten?

Das Verschwinden der Linnea Arvidsson ist ein fesselnder Roman, durch den wir erfahren, wie stark Geschwisterbande sind, wie es ist, in einer der ärmsten Gegenden von Malmö aufzuwachsen, und wie die Liebe uns dazu bringen kann, Dinge zu tun, die wir nie für möglich gehalten hätten. Unbezahlte Werbung. Coverrechte: Insel Verlag

 

Meinung:

 

"Kraft und Liebe einer Familie"

Diesem Buch habe ich schon lange entgegengefiebert. Bisher kenne ich nur drei Wohfühlromane aus der Feder von Frida Skybäck. Doch dieses Buch ist etwas ganz anderes. Wie schon der Klappentext und das Cover vermuten lassen, handelt es sich hier um eine tiefgehende Geschichte mit kriminellen Aspekten. Den angenehm flüssigen und umschreibenden Schreibstil von Frau Skybäck bin ich ja bereits gewohnt.

Die junge Lydia, Kind eines Einwandererpaares aus Kroatien, kümmert sich aufopferungsvoll um ihren aufgrund eines Schlaganfalls stark beeinträchtigten Vater. Sie wohnen in der ärmsten Gegend von Malmö. Polizeiliche Ermittlungen sind dort keine Seltenheit. Doch dieses Mal fragt die Polizei nach Dani, Lydias Bruder, der als Tatverdächtiger hinsichtlich der Entführung der jungen Linnea Arvidsson aus einer nobleren Gegend gilt. Lydia ist die einzige Person, die an seine Unschuld glaubt. Klar ist er als Jugendlicher an die falschen Leute geraten und wurde straffällig. Doch diese Phase hat er hinter sich gelassen, hat seit längerem einen Job und eine eigene Wohnung. Irrt sich Lydia etwa? Warum sind Dani und Linnea gemeinsam auf einem Überwachungsvideo am Bahnhof?

Die Polizei ist sich sicher, dass SO EINER immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt kommt. Die Familie zerbrach vor Jahren, als Lydias Mutter nach schwerer Krankheit verstarb. Mit ihrem Tod verließ die Familie das Licht und zurück blieb Dunkelheit. Der Vater ging zwar noch seiner Arbeit nach, zog sich ansonsten aber komplett zurück und kümmerte sich um nichts mehr. Mila, die Älteste der Kinder hielt es nicht zu Hause aus, wechselte die Schule und zog zu einer Schulfreundin ans andere Ende der Stadt in eine bessere Gegend. Lydia, die ihrer Mutter am Totenbett versprochen hat, die Familie zusammenzuhalten, versuchte mit ihren 14 Jahren alles zu meistern, so gut es geht. Doch ihr 1 Jahr jüngerer Bruder Dani entglitt ihr zusehends, schließlich gibt sie resigniert auf. Die Schuld versagt zu haben lastet auch jetzt noch schwer auf Lydias Schultern. Sie muss unbedingt herausfinden, was wirklich mit Linnea passiert ist, das ist sie ihrem Bruder schuldig.

Durch die Aufgliederung des Buches in Abschnitte aus der jeweiligen Sichtweise von Lydia, Dani und der verschwundenen Linnea sowie dem Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit gestaltet sich das Buch sehr lebhaft, abwechslungsreich und spannend. Die Autorin ermutigt den/die LeserIn eigene Vermutungen anzustellen und regt enorm zum Nachdenken an. Authentisch schildert sie die Einschränkungen und Nachteile, die Einfluss auf Einwandererkinder haben. Hinzu kommen die ärmlichen Verhältnisse. Was jedoch am Schwersten wiegt ist der Riss der Familienbande, hier ausgelöst durch den Tod der Mutter. Ohne ausreichende Unterstützung ist das Eis sozial abzurutschen und in üble Kreise zu geraten hauchdünn. Auch wenn Lydia ihrer Mutter versprochen hatte, die Familie zusammenzuhalten, kann man ihr keinen Vorwurf machen. Sie war erst 14, als sie die Verantwortung für alle übernehmen musste. Von einen auf den anderen Tag hatte man ihr die Kindheit genommen. Selbst jetzt hat sie kein eigenes Leben, Beruf und Pflege des Vaters nehmen so gut wie jede Minute ein. Aus diesem Grund scheut sie es auch, sich auf eine feste Beziehung einzulassen.

Auch Dani kann ich nicht wirklich Vorwürfe für die Entwicklung seines Lebens machen. Er hätte dringend die Unterstützung seines Vaters gebraucht, obwohl ich nicht sicher bin, ob das ausreichend gewesen wäre. Tief in seinem Herzen ist Dani ein guter Mensch. Ihm fehlt einfach positive Zuwendung. Für einige Zeit findet er diese bei Reza, einem Fitness-Studio-Besitzer, dem er aushilft oder später während seines zweijährigen Aufenthaltes in einer Pflegefamilie durch den Pflegevater. Danis Problem ist, dass er sich leicht provozieren lässt, die Wut treibt ihn dann immer wieder in die Fänge von Jackson und seiner Gang.

Doch welchen Einfluss hat die Vergangenheit auf das gegenwärtige Geschehen? In Eigenregie stellt Linnea Nachforschungen an über Linnea und ihren reichen Freund Richard Bofors, einen Banker. Welche Verbindung gibt es zu Dani?

Über allem schwebt immer die nagende Ungewissheit, was passiert ist. Gibt es ein Verbrechen? Warum kann und will Dani sich nicht zu den Anschuldigungen äußern? Erst im dritten Abschnitt des Buches aus Linneas Sicht beginnen die Ausmaße des Ganzen bruchstückhaft ans Licht zu kommen. Ich fühlte mich unfähig, noch an ein gutes Ende zu glauben. Linneas Angst war permanent fühlbar und verursachte mir Gänsehaut.

Herzlichen Dank Frida Skybäck für dieses spannungsgeladene und tiefgründige Lesevergnügen. Ich musste die Geschichte erst einige Tage verdauen, bis ich diese Rezension schreiben konnte. Im Nachhinein betrachtet hat sich dieses Buch für mich als Highlight des Monats entpuppt. Deshalb von mir absolut verdiente 5 Sterne.

 

Fazit:

Absolut brillant beschreibt Frida Skybäck das Zerbrechen einer Familie unter dem Einfluss von Armut, Außenseiterstatus und den Verlust eines geliebten Menschen. Jeder Mensch braucht die Unterstützung, Stärke und Liebe der Familie. Ohne dies ist die Seele zur Dunkelheit verdammt und droht unterzugehen. Nicht jeder, der aus schlechten Verhältnissen kommt ist auch ein schlechter Mensch. Er hat es einfach nur etwas schwerer. Ich freue mich schon auf weitere Bücher aus der Feder der Autorin.

Frida Skybäck

Frida Skybäck, geboren 1980 in Göteryd, ist eine schwedische Autorin. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern in Lund. Das Verschwinden der Linnea Arvidsson ist ihr achter Roman.

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