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Dienstag, 15. August 2023

Die spürst du nicht von Daniel Glattauer

Foto: @Gisela Simak 



Um was geht's? 

Unbezahlte werbung. Coverrechte Verlag.

Der Bestsellerautor Daniel Glattauer lässt in seinem neuen Roman Menschen zu Wort kommen, die keine Stimme haben – ein Sittenbild unserer privilegierten Gesellschaft.


Die Binders und die Strobl-Marineks gönnen sich einen exklusiven Urlaub in der Toskana. Tochter Sophie Luise, 14, durfte gegen die Langeweile ihre Schulfreundin Aayana mitnehmen, ein Flüchtlingskind aus Somalia. Kaum hat man sich mit Prosecco und Antipasti in Ferienlaune gechillt, kommt es zur Katastrophe.

Was ist ein Menschenleben wert? Und jedes gleich viel? Daniel Glattauer packt große Fragen in seinen neuen Roman, den man nicht mehr aus der Hand legen kann und in dem er all sein Können ausspielt: spannende Szenen, starke Dialoge, Sprachwitz. Dabei zeichnet Glattauer ein Sittenbild unserer privilegierten Gesellschaft, entlarvt deren Doppelmoral und leiht jenen seine Stimme, die viel zu selten zu Wort kommen

Meine Meinung:

Den Verstummten eine Stimme geben

Eben habe ich das Buch beendet. Ich bin zu Tränen gerührt. Der Autor hat es schon mal fertig gebracht, dass ich ein Buch an einem Tag inhaliert habe. *Gut gegen Nordwind.* *Die spürst du nicht* auf fast einen Tag. Diese Geschichte ist *Gut gegen Vorurteile*!

Das Flüchtlingskind Aayana ist die Klassenkameradin von Sophie Luise. Sie darf mit an die Toskana fahren. Das Flüchtlingskind aus Somalia hat Angst vor dem Wasser. Das nasse Element wird ihr auch tatsächlich zum Verhängnis. Sie ertrinkt im Pool. Der Urlaub wird sofort abgebrochen.Wir lernen die Strobl-Marineks und Binders kennen. Zusammen waren sie in der Toskana mit ihren Kindern und dem Flüchtlingskind Aayana. Daheim in Wien trifften die Meinungen weit auseinander, was den tragischen Unfall betrifft. Während die Politikern Elisa Strobl-Marinek die Verhandlung zu einem schnellen Ende bringen möchte, (zu sehr hat die Grün-Abgeordnete Angst vor negativer Presse,) möchte Melanie Binder der Familie von Aayana helfen. Melanie fühlt sich mitschuldig an dem Tod des Mädchens. Ist der Meinung, dass die Aufsichtspflicht kläglich vernachlässigt wurde. Die innige Freundschaft der beiden Frauen bekommt gewaltige Risse.

Ein Blick in den Spiegel. Das ging mir durch den Kopf. Besonders ziemlich am Ende der Geschichte. Es ist ein vom Leben Gebeutelter, der Licht in das Dunkle gebracht hat. Ein Asphaltgenosse. Einst selbst Jurist. Die spürst du nicht konfrontiert uns mit unserem Egoismus. Man spürt die kleine Aayana nicht. Sie wird lange zur Nebensache in der Geschichte. Wie es halt im realen Leben so ist. Nur der gute Leumund und ein Staranwalt tragen zur Linderung der erhitzten Gemüter bei. Die Schande soll nicht zu groß in den Vordergrund rücken. Tut sie aber doch. Dafür sorgen so soziale Netzwerke wie Instagram und Co. Die öffentlichen Diskussionen schmerzen jeden Menschen, der noch ein Fünkchen Mitleid in sich trägt.

Ich habe Wien sehr deutlich gespürt. Die Mentalität der Österreicher ist stets präsent. Das dürfte dem einen oder anderen Begriff geschuldet sein. Der Schreibstil ist flüssig und lässt inhaltlich nichts vermissen. Ich konnte gut in die Gefühlswelt der Protas eintauchen. Ich möchte wirklich nicht über irgend eine Person in dieser Geschichte urteilen. Vielmehr stellt sich mir die Frage, wie ich mich verhalten hätte. Wäre ich eine Melanie oder Elise? Würde ich vertuschen wollen oder der Wahrheit eine Stimme geben? Soviel sei gesagt. Es war ein Unfall. Tragisch für eine somalische Familie. Auch für die Urlauber. Die fehlende Auseinandersetzung mit Aayana und deren Tod, ist in meinen Augen das einzige Verbrechen. Aber Menschen, die unsere Sprache nicht sprechen, werden nicht wahrgenommen. Sie haben keine Stimme. Sie werden falsch oder gar nicht verstanden. Dabei ist es gerade die somalische Familie, von der wir in dieser Geschichte viel lernen. Die trotz großen Leid das Gute an den beiden Familien gesehen hat. 

Fazit:

Die Geschichte mag fiktiver Natur sein. So ähnlich dürfte sie sich jedoch schon oft im realen Leben zugetragen haben. Die Sprachgewalt und der Asphaltgenosse mit Herz ❤️ gewähren tiefe Einblicke. Sie geben den Verstummten eine Stimme. 

Herzlichen Dank Herr Glattauer.

Daniel Glattauer

Daniel Glattauer, geboren 1960 in Wien, Bücher (u. a.): Die Ameisenzählung (2001), Darum (2003), Der Weihnachtshund (Neuausgabe 2004), Theo (2010), Mama, jetzt nicht! (2011), Ewig Dein (2012), Geschenkt (2014). Mit seinen Romanen Gut gegen Nordwind (2006) und Alle sieben Wellen (2009) schrieb er Bestseller, die auf der ganzen Welt gelesen werden. Die Komödie Die Wunderübung (2014) ist als Buch, am Theater und als Film sehr erfolgreich. Auf der Bühne sind auch die Komödien Vier Stern Stunden und Die Liebe Geld zu sehen. Und 2019 kam die Verfilmung von Gut gegen Nordwind ins Kino. Zuletzt erschien der Roman Die spürst du nicht (2023).




 



2 Kommentare:

  1. Eine Buchbesprechung, die mir sehr zusagt und mich angeregt hat, den Roman auf den Reader zu laden. Danke!

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    1. Sehr gerne.

      Würde mich freuen wenn ich wüsste wer den netten Kommentar hinterlassen hat. Komme gerne zum Gegenbesuch vorbei.

      Liebe Grüße von der Gisela

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