Nackt war ich am schönsten
Ein Roman über die subversive Kraft weiblicher Selbstermächtigung
In ihrem neuen Buch nimmt uns Veronika Peters, Autorin von Was in zwei Koffer passt. Klosterjahre, mit in ein oberhessisches Dorf, in dem eine mysteriöse Fremde seit Kurzem für Aufsehen sorgt. Und für Gerechtigkeit. Warmherzig, klug und mit hinreißendem Witz erzählt dieser Roman eine Geschichte vom feministischen Aufbegehren gegen die Marginalisierung von Künstlerinnen, von einer in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Freundschaft und von Frauen aus drei Generationen, die sich, ob tot oder lebendig, viel zu sagen haben.
Antonia Bachmann, genannt Toni, kehrt aus der Bretagne in ihr oberhessisches Heimatdorf zurück, nachdem sie das alte Haus ihrer Mutter am Waldrand geerbt hat. Seit Jahren ließ Toni sich nicht mehr blicken, das Verhältnis zur Mutter war angespannt, und auch jetzt taucht sie erst zwei Wochen nach der Beerdigung in Lindbach auf. Das Haus will sie so schnell wie möglich loswerden, doch wer ist diese extravagant gekleidete alte Frau, die sich im Gartenatelier eingerichtet und offensichtlich auf Toni gewartet hat? Sie stellt sich als Baroness Elsa von Freytag-Loringhoven vor, 1874 in Swinemünde geboren, 1927 in Paris gestorben, danach spurlos verschwunden, vergessen, ausgelöscht. Was nicht sein kann, ist trotzdem so, denn warum sollte eine Dada-Künstlerin der ersten Stunde, deren «Art of Madness» einst heftige Debatten über weibliche Sexualität und männliche Kontrolle auslöste, sich nicht auf ihre Weise einen Weg ins 21. Jahrhundert bahnen? Es gibt schließlich noch viel zu tun, nicht nur für Toni und die Menschen in Lindbach.
Meine Meinung:
Nicht schlecht, aber mit Luft nach oben.
Der Titel und das Cover sind eine Sünde wert. Der Inhalt ist auch nicht zu verachten, jedoch mit ein paar Kritikpunkten.
Antonia kehrt nach 20 Jahren in ihre Heimat zurück. Irgendwie hat sich in dem Haus ihrer verstorbenen Oma und Mutter nichts geändert. Anderseits fehlt dem Haus ohne Oma die Seele. In dem kleinen oberhessischen Dorf begegnet man ihr nach so vielen Jahren erstmal mit etwas Abstand. Toni möchte schnellstmöglichst das Haus loswerden und wieder zurück in die Bretagne. Dort hat sie einen Ehemann und verdient ihr Geld als Restaurateurin. Alte beschädigte Dinge restaurieren ist ihre Passion.
Zu ihrer alkoholkranken Mutter hatte sie die letzten 20 Jahre keinen Kontakt mehr. Wohnte auch ihrer Beerdigung nicht bei. Die eigentliche Mutter war ihre Oma. Die Mutter war stets in der Scheune beim Malen oder trinken. Hat Toni nie richtig wahrgenommen. Eigentlich wäre Toni richtig einsam in dem alten Fachwerkhaus, wäre da nicht die verstorbene Baroness Elsa von Freytag-Loringhoven. (geb. 1874 - + 1927) Die Dame mit dem eigenwilligen Mode und Schmuckgeschmack, steht der etwas ratlosen Toni mit Rat und Tat zur Seite.
Ich habe diese Geschichte wirklich sehr gerne gelesen. Aber irgendwie erschließt sich mir nicht, warum den Geist der Baroness wirklich jeder sehen konnte. Die Idee mit der Toten fand ich richtig gut. Warum soll nicht eine längst verstorbene Baronesse als Ratgebertante agieren? Aber als Tote eine Art Berühmtheit im Dorf zu sein, war mir dann doch zu weit hergeholt. Ferner störten mich die häufig eingestreuten französischen Wörter und Sätze. In gesunden Maßen hätten sie Elsas Vergangenheit in Paris unterstrichen. So hatte ich das Gefühl, ich werde damit erschlagen. Elsa war einst eine Dada-Künstlerin. Ihre Art zu sprechen ist so speziell, wie ihre Bilder. Den einen oder anderen Satz musste ich zweimal lesen, damit sich mir der Sinn erschloss. Verstand ich Anfangs nicht, warum Toni keine Fragen über ihre Mutter stellte, so konnte ich ihr Verhalten im späteren Verlauf verstehen. Möchte sogar behaupten, ich hätte stellenweise genauso gehandelt.
Was mir besonders gut gefallen hat, wie Elsa per Gemälde Toni ihre verstorbene Mutter näher gebracht hatte. Toni fand ich eigentlich ganz okay. Jedoch verstand ich ihre Passivität in verschiedenen Dingen nicht.
Trotz der Kritikpunkte habe ich mich immer aufs Weiterlesen gefreut. Das dürfte der unkonventionellen Baronesse geschuldet sein. Widersprüchlich und doch irgendwie total charmant. Eine alte tote Frau, mit der Körperhaut eines jungen Mädchens. Nackt war sie wirklich am schönsten! Den Sinn, den die Baronesse in der Geschichte hatte, fand ich richtig raffiniert dargestellt.
Fazit:
Nicht alles in der Geschichte konnte mich überzeugen. Ich kann das Buch jedem empfehlen, der bereit ist ein paar Abstriche (aus meiner Sicht)zu machen.
Danke Veronika Peters.
Veronika Peters
Veronika Peters, 1966 in Gießen geboren, verbrachte ihre Kindheit in Deutschland und in der heutigen Republik Kongo sowie in der Elfenbeinküste. Nach einer heilpädagogischen Ausbildung arbeitete sie als Erzieherin in einem psychiatrischen Jugendheim. Mit Anfang zwanzig stieg sie für einige Jahre aus dem sogenannten bürgerlichen Leben aus und trat in eine Kommunität von Benediktinerinnen ein, wo sie unter anderem als Gärtnereigehilfin, Restauratorin und Buchhändlerin tätig war. Seit dem Jahr 2000 lebt sie als freiberufliche Autorin in Berlin. Veronika Peters ist verheiratet mit dem Schriftsteller Christoph Peters und hat eine Tochter. Im März 2022 ist ihr siebtes Buch erschienen, «Das Herz von Paris», ein Roman über die Frauen der literarischen Avantgarde im Paris der Zwischenkriegsjahre.
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